Der Goldschatz von Michalków in Galizien. Ein Beitrag zu seiner Struktur und Deutung

Referent: Dr. Carola Metzner-Nebelsick, Institut für Prähistorische Archäologie, FU Berlin

Montag, den 22. April 2002

Die beiden in den Jahren 1878 und 1898 in Ostgalizien entdeckten Goldfunde von Michalków, heute Mihalkov in der westlichen Ukraine, gehören zu den spektakulärsten Goldfunden der eurasischen Vorgeschichte. Sie können in die Zeit um 800 v. Chr. datiert werden und markieren damit eine Phase des Übergangs von der Urnenfelder- zur Hallstattzeit.
Obwohl insbesondere der zweite Fund aufgrund der unmittelbar nach seiner Entdeckung einsetzenden Plünderungen nicht als vollständig angesehen werden kann, weisen beide Fundkomplexe eine ähnliche Zusammensetzung auf, die auf zwei wesentliche Komponenten beschränkt bleibt: Schmuck, d. h. Trachtzubehör und Kleidbesatz sowie Trink- bzw. Spendegefäße aus Goldblech. Innerhalb der Formengattung Schmuck sind als gesonderte Gruppe getriebene Schmuckscheiben zu beschreiben, die in der Regel als Zierat von Pferdegeschirr Verwendung fanden.
Trotz der Unwägbarkeiten im Zusammenhang ihrer Auffindung sind die beiden Funde am ehesten mit der Gattungsbezeichnung Depotfund zu klassifizieren.

Die Analyse der Struktur der Funde aus Michalków steht im Vordergrund des ersten Teils des Vortrags.
Das obere bis mittlere Dnestrgebiet stellt seit der mittleren Bronzezeit vor allem aber seit dem ausgehenden 2. bis frühen 1. Jahrtausend v. Chr. den nordöstlichsten Außenposten einer im Karpatenbecken beheimateten Kulturwelt dar. Östlich schließen sich verschiedene Kulturgruppen an, die zu einem nicht unwesentlichen Teil durch steppennomadische Elemente charakterisiert sind und mit dem Kaukasus bzw. dem eurasischen Steppengebiet in engerem kommunikativem Kontakt stehen.
Die westliche d. h. karpatenländische Bindung des oberen Dnestrgebietes äußert sich u. a. in übereinstimmenden Ausstattungsmustern der Hortfunde. Die Niederlegung dieser nach bestimmten wiederkehrenden Mustern komponierten Funde war religiös motiviert und ist als symbolischer Akt der Kommunikation mit den oben bezeichneten Entitäten zu verstehen.
Allein durch ihre Niederlegung sind die Funde von Michalków Exponenten einer alteuropäischen bzw. karpatenländischen Tradition.
In der Zeit um 800 v. Chr. kommt es jedoch zu markanten Brüchen dieser T raditionen. Michalków zählt zu den jüngsten Schatzfunden in der Region, bevor diese Sitte aufgegeben wird. In Michalków treten Elemente einer neuen kulturellen Ausrichtung vor allem in Form von in einer bestimmten Variante des eurasischen Tierstils ausgeführten Goldblecharbeiten zu Tage. Sowohl in motivischer als auch technischer Hinsicht verkörpern sie ein neues Element herrschaftlicher Repräsentanz, das seine Wurzeln in den steppennomadischen Kulturen Sibiriens und im nördlichen Kaukasus besitzt.
Daneben enthält der Schatz von Michalków eine Anzahl von Herrschaftssymbolen, die nur aus einer bronzezeitlichen mittel- bis südosteuropäischen Tradition heraus verständlich sind. Die Vorstellung dieser Formen herrschaftlicher Repräsentanz nimmt den Hauptteil des Vortrages ein. Ferner wird eine weitere Komponente kultureller Bindungen Michalków vorgestellt werden, die ebenfalls im großen Bedeutungsfeld herrschaftlicher Repräsentanz zu sehen ist, jedoch in den Vorderen Orient verweist. Dabei handelt es sich um die Goldschalen, die in Michalków und in einzelnen Hortfunden aus dem Karpatenbecken zu den nordwestlichsten Stücken dieser Art überhaupt zählen. In Assyrien besitzen sie einen festen Platz im Beigabenkanon königlicher Bestattungen wie auch im Bildprogramm der Darstellungen von Königen und Göttern.
Diese vielfältigen und vielschichtigen Bindungen, die in den Funden von Michalków ihren dinglichen Niederschlag finden, werden vorgestellt und hinsichtlich ihrer Bedeutung untersucht.