Chersonesos Taurica: die Stadt und ihre Prägung im vierten Jahrhundert v. Chr.

Referent: Dr. Sergej Kovalenko, Puškin-Museum der Bildenden Künste, Moskau

Montag, den 04.02.2002

Chersonesos Taurica liegt auf der Krim – am Ort des heutigen Sevastopol. Sie war die einzige dorische Kolonie im nördlichen Pontosgebiet und wurde von den Kolonisten aus Herakleia Pontika und Delos im letzten Viertel des 5. Jahrhunderts v.Chr. gegründet. Die Stadt befand sich auf der Herakleischen Halbinsel, auf dem Kap, das wesentlich in das Meer vorragte. Der außerordentliche Vorteil ihrer geographischen Lage bestand darin, daß Chersonesos am kürzesten Meeresweg lag, der die südliche und nördliche Küste des Schwarzen Meeres miteinander verband. Außerdem lag sie an den Handelsrouten zwischen den westlichen und östlichen Gebieten der nördlichen Schwarzmeerküste. Der Chersonesische Staat, der sich zum Ende des 4. Jahrhunderts herausgebildet hatte, war das größte griechische staatliche Gebilde nach dem Bosporanischen Reich im nördlichen Schwarzmeergebiet. Im 4. und 3. Jahrhundert v. Chr. besaß Chersonesos nicht nur das nahe Gelände der Herakleischen Halbinsel, sondern auch große Ländereien in der nordwestlichen Krim, wo sich außer den Höfen und kleinen Festungen zwei Städte – Kerkinitis und Kalos Limen – befanden.

Während der Ausgrabungen der Chersonesos, die schon in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts begonnen hatten, wurden die städtischen Festungsmauern, die Reste des einzigen bisher gefundenen Theaters im nördlichen Pontosgebiet sowie die chersonesische Münzstätte entdeckt. Die Stadtplanung mit dem rechteckigen Straßennetz konnte rekonstruiert werden. Ebenso konnte man die Reste keramischer Werkstätten und eine Werkstatt zur Terrakottaherstellung lokalisieren.

Der Anfang der chersonesischen Münzprägung an der Wende des 5. zum 4. Jahrhundert v. Chr. war eng mit der wichtigen Rolle des Handels in der Wirtschaft der frühen Chersonesos verbunden. Die Struktur der Münzemissionen spricht dafür, daß die Prägung der Münzen den Bedarf nicht nur des Außenhandels, sondern das Bedürfnis des alltäglichen Kleinhandels befriedigen mußte. Die frühen chersonesischen Münzen tragen keine Magistratsnamen und deshalb kann man annehmen, daß die Kontrolle über die Prägung mit anderen Methoden durchgeführt wurde. Das Repertoire der chersonesischen Münztypen war einerseits mit den lokalen religiösen und kulturellen Traditionen verbunden, anderseits hatte es viele gemeinsame Züge mit den Münzemissionen der anderen griechischen Städte des Gebietes – Theodosia, Phanagoria, Pantikapaion.