Auf den Spuren der Perser in Aserbaidschan. Ausgrabungen auf dem Ideal Tepe bei Karačamirli

Referent: Dr. Florian Knauß, Staatliche Antikensammlungen und Glyptothek München

Montag, den 16. Juni 2008

Im Rahmen von Forschungen zu den materiellen Hinterlassenschaften der Perser im Kaukasus wurde 2001 ein Siedlungsplatz bei Karačamirli in Westaserbaidschan, südlich des Flusses Kura entdeckt. Ein großes Fragment einer achaimenidischen Säulenbasis aus Kalkstein hatte auf den Platz aufmerksam gemacht. 2006 wurden dort mit Ausgrabungen begonnen.

Innerhalb von zwei Kampagnen konnte auf dem Ideal Tepe der vollständige Grundriss eines großen Lehmziegelgebäudes freigelegt werden. Der rechteckige Bau misst 22 × 23 m und wird bestimmt von einer Folge von drei säulengetragenen Hallen in der zentralen Achse: Im Osten eine Vorhalle mit zwei Säulen, in der Mitte ein fast quadratischer Viersäulensaal und eine rückwärtige Halle mit ebenfalls vier Säulen. Diese Räume werden im Norden und Süden flankiert von langgestreckten Nebentrakten, in die man nur vom Mittelsaal aus gelangen konnte. Ein schmaler Korridor führt jeweils in quadratische Eckräume. Breite zentrale Durchgänge ermöglichen den Zugang zum Gebäude von außen und verbinden die Säulensäle miteinander. Die Mauern sind bis zu vier Lehmziegel (34 × 34 × 12 cm) stark.

Von ehemals zehn Säulenstellungen wurden noch vier Kalksteinbasen in situ angetroffen. Es handelt sich in allen Fällen um sog. Glockenbasen, wie sie auch von anderen kaukasischen Fundplätzen (Gumbati, Sari Tepe, Benjamin) bekannt sind. Vieles spricht dafür, dass bei Karačamirli ein Fertigungszentrum solcher Basen bestand. Die Säulenschäfte und Kapitellen müssen aus Holz gewesen sein; Holzbalken trugen wohl ein Flachdach. Anhand des unteren Durchmessers der Säulenschäfte (52 cm) lässt sich vermuten, dass das Gebäude wenigstens 5–6 m hoch war.

Die breiten Durchgänge in der Mittelachse sowie die im Norden und Süden einbindenden Temenosmauern lassen keinen Zweifel, dass das Lehmziegelgebäude auf dem Ideal Tepe ein monumentaler Torbau war. Die engste Parallele zu unserem Propylon bietet das sog. ›Tripylon‹ auf der Palastterrasse von Persepolis, erbaut unter Xerxes und Artaxerxes. In Karačamirli betraten die Besucher nach Durchschreiten des Propylons wohl zunächst einen Hofbereich oder Garten – vergleichbar der Situation in Pasargadae.

Verschiedene ›Brandflächen‹ über dem perserzeitlichen Horizont gehören zu einer Nachbesiedlungsphase, als die Anlage nicht mehr ihre ursprüngliche Funktion erfüllte. Durch die Fundkeramik können wir die Nutzungs- und die Nachbesiedlungsphase chronologisch eingrenzen. Währende die älteste Keramik der Nutzungsphase um 450 v. Chr. anzusetzen ist, gehört die Keramik der Nachbesiedlungsphase ins späte 4. und frühe 3. Jahrhundert. Auch sie steht noch unter deutlichem iranischen Einfluss.

Nach dem Tod des letzten Achaimenidenherrschers scheinen die offensichtlich persischen Bewohner den Ideal Tepe geordnet verlassen haben. Es gibt keine Anzeichen einer gewaltsamen Zerstörung. Die Bauern oder Hirten, die bald darauf das große Gebäude bewohnt haben, fanden hier noch Schutz vor Wind und Wetter, aber sie wollten oder konnten das Gebäude in der alten Form nicht instand halten bzw. wiederherstellen.

Das monumentale Propylon in Karačamirli muss zu einem Heiligtum oder Palast geführt haben. Alles deutet darauf hin, dass sich die Residenz eines persischen Statthalters auf dem Gurban Tepe, einem etwa 200 m westlich gelegenen Hügel, befand.

Zahlreiche Lesefunde von Bauplastik und Keramik zeigen an, dass es noch weitere bedeutende Siedlungsreste aus derselben Periode gibt und dass die Anlage auf dem Ideal Tepe Teil eines größeren Bauensembles war. In Karačamirli bietet sich damit die Chance, erstmalig ein achaimenidisches Verwaltungszentrum außerhalb Persiens weiträumig auszugraben.