So fern und doch so nah. Deutsch-ukrainische Forschungen in Olbia Pontike und das veränderte Stadtbild einer griechischen Kolonie

An der Martin-Luther-Universität haben Forschungen zu den Altertümern im Schwarzmeerraum eine lange Tradition. So führte bereits Ernst von Stern, der von 1911 bis 1924 in Halle tätig war, Ausgrabungen auf der Insel Berezan vor der heutigen ukrainischen Schwarzmeerküste durch. Mit diesen Forschungen gelang es Ernst von Stern, eine Brücke zwischen dem Wissenschaftsstandort Halle und einem geographischen Raum zu schlagen, der während der antiken Migrationsbewegungen im 7./6. Jh. v. Chr. in den Fokus der hellenischen Welt gerückt war. In der zeitgenössischen Wahrnehmung lagen die Altertümer dieser Region hingegen noch in weiter Ferne und fanden in der deutschen Forschungslandschaft erst durch seine Studien verstärkt Aufmerksamkeit.
Seit 2021 nun knüpft erneut von Halle aus ein deutsch-ukrainisches Kooperationsprojekt mit seinen interdisziplinären Forschungen in Olbia Pontike an diese Tradition an. Nur wenige Kilometer vom einstigen Wirkungsort von Sterns entfernt, untersuchen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus beiden Ländern die sog. Vorstadt dieser wichtigsten griechischen Kolonie im nordwestlichen Schwarzmeerraum, deren Stadtbild und Geschichte in archaischer und klassischer Zeit aus Forschersicht als weitgehend gesichert galten. Die neuesten Ergebnisse zeigen jedoch eindrücklich, dass die traditionellen Entwicklungsmodelle nicht mehr überzeugen können. Der Vortrag führt in die aktuelle Befundsituation ein und soll zugleich aufzeigen, dass die milesische Kolonie an den fernen Ufern des Bugs für zukünftige Studien zur sog. Großen Griechischen Kolonisation eine wichtige Rolle spielen kann.